Farbe bekennen – Textile Eleganz in Teheran um 1900

23. November 2018 bis 14. April 2019

Als der St. Galler Kaufmann Emil Alpiger 1896 nach mehr als 20 Jahren Tätigkeit in Persien nach Zürich zurückkehrte, befand sich unter seinem Gepäck eine Holztruhe voller persischer Kleidungsstücke und Textilien. Über Generationen, so erinnert sich der Urenkel Emil Alpigers, wurde dieser Schatz sorgsam von der Familie verwahrt.
Jetzt, ein Jahrhundert später, stehen die kostbaren Stücke im Zentrum einer Ausstellung. Als Emil Alpiger die Kleider, Stoffe, Wandbehänge und Stickereien auf dem Bazar erwarb, waren sie brandneu. Entsprechend frisch und satt sind ihre Farben.
Die unerwartete Kombination verschiedener Stoffmuster ist inspirierend. All das versetzt uns unmittelbar nach Persien in das ausgehende 19. Jahrhundert. Eine Zeit, die wir sonst nur von schwarz - weissen Fotografien kennen.
Die Kleider und Textilien stehen aber für mehr als nur den Geschmack und die Farbenliebe einer anderen Zeit und Kultur. Sie erzählen von der industriellen Fabrikation in Europa, der Suche nach neuen Absatzmärkten und exotischen Produkten für eine verwöhnte Pariser, Londoner oder Zürcher Bourgeoisie und von der Verdrängung handwerklicher Produktion in Persien einerseits.
Andererseits zeugen sie davon, wie sich iranische Weber und Schneider europäische Moden und fremden Motiven zu eigen machten. Das augenfälligste Beispiel sind hier die Röckchen des Pariser Ballets, die Tütüs, die kurz nach 1873 von den Damen am Hof des Schahs dem eigenen Geschmack gemäss verändert und getragen wurden.
Genauso interessant sind die persischen Teppiche. Nachdem die Weltausstellungen in London, Paris und Wien den Publikumsgeschmack seit 1851 ein Stück weit „globalisiert“ hatten, gehörte ein Orientteppich zum letzten Schrei. Schnell waren Firmen wie jene von Philippe Ziegler aus Manchester vor Ort, um diese Nachfrage zu befriedigen. Bald schon wurden die Muster von Emil Alpiger, der für Ziegler und Co. arbeitete, dem europäischen Geschmack angepasst. Die Teppiche wurden grösser, bunter und ihre Dessins wurden „gezähmt“. Im Gegenzug dazu fingen die iranischen Sticker an, ihre Wandbehänge mit europäischen Motiven zu bereichern. Das Ergebnis sind in beiden Fällen Kulturhybride, mondialisierte Mischformen, die zwischen Ost und West oszillieren.
Es sind Kunstwerke, die damals den Nerv der Zeit trafen und nun wiederentdeckt werden können, ganz nach dem Motto: chic ist Schock.  Emil Alpiger, dem wir die Sammlung verdanken, war sowohl „Täter“ wie „Bewahrer“. Er führte in seiner Jugend ein abenteuerliches Leben: Vor seinem 28. Geburtstag hatte er die Welt einmal umrundet, hatte zwei Unternehmen gegründet und wieder aufgegeben und danach über 20 Jahre lang in Persien die Import-Export-Geschäfte von Ziegler & Co. mitbestimmt. Er hat sich aber auch für Land, Leute und Kommerz interessiert und Waffen, Keramiken und Textilien gesammelt. Heute, im viel beschworenen Zeitalter der Globalisierung, lehrt uns ein Blick auf jene Epoche viel über unsere eigene Zeit. Sie erzählt vom unreflektierten Profitdenken der westlichen Wirtschaftsmächte, von Verdrängung und Ausbeutung, sie verweist aber auch darauf, welche Kraft in der kreativen Aneignung des Fremden besteht.

 

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Farbe bekennen.

Textile Eleganz
in Teheran
um 1900
 

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